die Entschleunigung ... 900er fahren pur

Mehr Saab und mehr Niederlande geht nicht:
MY 1984, 8v Einfachvergaser mit 4 Gängen, Anhängerkupplung, Inkas ... und zeitgenössischer LPG-Anlage (aber erst 2010 eingebaut).

Eigentlich war ich im Mai 2014 in Holland, um mir den 86er Saab 900 mit der beeindruckend geringen Laufleistung anzusehen, und hatte mir nur so "nebenbei" auch die Adresse dieses Exemplars notiert . Wenn ich schon mal in der Nähe bin (Holland ist ja nicht sooo groß).
Wie man vielleicht schon gemerkt hat, kaufe ich nicht nur Autos (Saabs), sondern immer auch Geschichten. Dabei lege ich nicht so viel Wert auf die komplette Lebensgeschichte eines Autos im Sinne von dessen Wartungshistorie, sondern eher auf die Alltagsgeschichte und "alltägliche Besonderheiten", was eigentlich ein Widerspruch in sich ist.

So, wie die Nutzung dieses Saab 900 GL aus dem MY 1984 bei der Vorbesitzerin ein Widerspruch war: Oldtimer im intensiven täglichen Gebrauch. Denn immerhin war der GL im Jahr 2010 bereits 26 Jahre alt, als die Vorbesitzerin diesen kaufte, die LPG Anlage einbauen ließ und den Saab dann tatsächlich (fast) täglich bewegte. So wurden aus 263.000 km beim Kauf 2010 in nur 4 Jahren 360.000 KM auf dem Tachometer.
Man zeige mir einen klassischen Saab 900 (oder anderen Oldtimer), der in den 2010er Jahren noch so eine Laufleistungs-Karriere abgespult hat. Und dabei auch weitgehend ohne Probleme, wie die vorliegenden Rechnungen aus den 4 Jahren beweisen.
Dabei war die Vorbesitzerin keine besondere Liebhaberin eines klassischen 900ers, sondern ganz pragmatisch veranlagt: Von 2010 bis 2014 waren Oldtimer mit LPG in den Niederlanden von fast allen Steuern befreit, daher hatte sie sich 2010 zum Kauf entschlossen, 5250,- Euro an die verkaufende renommierte Saab-Werkstatt in Holland überwiesen und nochmals fast 1500,- Euro für die neue LPG-Anlage bezahlt. Der GL hat ihr dieses Vertrauen zurückgezahlt und war nach Aussage der Besitzerin ein treuer Begleiter in den 4 Jahren und (fast) 100.000 km.
Als sich dann 2014 in Holland die Gesetzgebung drastisch änderte, Oldtimer mit LPG steuerlich sehr teuer wurden, hat sie ihren GL zum Verkauf angeboten. Was dann meine Chance war, diesen Saab 900 mit den wunderschönen Inka-Felgen, der gut laufenden LPG-Anlage und einem tollen Interieur zu erwerben.

 

Denn dieses Interieur ist zwar zeitgenössisch, gab es jedoch original nicht in der einfachsten Version des Saab 900, dem GL. Dieses Luxus-Plüschvelours mit Quadrat-Muster (hinten mit Kopfstützen und mit Mittelarmlehne) war laut holländischen Broschüren  der Ausstattungsvariante GLE und dem 8V Turbo dieser Zeit vorenthalten. Dazu kommt die Mittelkonsole vorne als Sonderausstattung und ein "Econometer" als Zusatzinstrument auf dem Armeturenbrett als Ersatz für den DZM, der beim GL damals nicht vorhanden war.  Ich bin froh über die Luxusvelours-Ausstattung, denn sie steigert das Wohlbefinden sowohl beim Betrachten als auch Fahren erheblich und paßt farblich hervorragend zur roten Aussenfarbe. Ich vermute, daß die verkaufende Saab-Werkstatt den GL seinerzeit mit dieser Ausstattung (im wahrsten Sinne des Wortes) aufgemöbelt hat, denn auch der montierte Front- und Heckspoiler waren nie Serie, und den renovierten Dachhimmel bekommt auch nicht jeder so gut hin.
Andererseits: am Heck prangt ein "S", und die "S" Ausstattung wiederum beinhaltete immer die Spoiler hinten wie vorne. Nach deutschen Prospekten war das "S-Paket" aber nur für die (höherwertigen) Einspritzer-Modelle bestellbar und beinhaltete dann auch Assessoires wie Fensterheber, ZV, usw. . Das paßt hier nicht. Es sei denn: ein solcher GL mit "S-Paket" ist eine Ausstattungsvariante, die vielleicht nur in den Niederlanden auch für die Vergaser-Modelle angeboten wurde.
Was dieser GL aber bereits sehr wahrscheinlich ab Werk verbaut hat: die Servolenkung, neben einer Klimaanlage und Metallic-Lackierung laut deutscher Preisliste das einzig bestellbare Extra für einen 900 GL im MY 1984.


Ebenso hat der GL eine auch heute noch alltags- und autobahntaugliche 4-Gang Schaltung (das MY 1984 hat als 4-Gang noch die längere Gesamtübersetzung durch das etwas  länger übersetzte Differential im Vergleich zu späteren MY), wenn man es auf der AB gemütlich bis zur Richtgeschwindigkeit von 130 km/h angehen läßt und nicht vergißt, daß man einen Oldtimer bewegt.
Dies konnte ich bereits 2014 selber erfahren, als ich auch diesen Saab von Holland aus auf eigener Achse nach Hamburg fuhr.
Diesen Saab habe ich nicht vor zu verkaufen, sondern erhoffe ich in den kommenden Jahren als entspanntes (dank 101 PS), günstiges und umweltfreundliches (dank LPG und H-Gutachten) Fortbewegungsmittel einsetzen zu können für die wenigen tausend KM, die ich/wir eh nur noch im Jahr fahren. Die Farbe (innen und außen) gefällt auch meiner Lebensgefährtin wie der 900er allgemein. Die wichtigste Herausforderung ist daher bereits gemeistert.

 

Der GL stand anschließend von 2014 bis 2018 in meiner Sammlung, und nach Abriß der Halle in 2018 mußte ich ihn nochmals fast 2 Jahre in einer anderen Garage parken. Im März 2020 war es dann endlich soweit, ein Kurzzeitkennzeichen wurde besorgt, neue Reifen aufgezogen und erstmal kleinere Fahrten rund um Hamburg unternommen, u.a. zu einem LPG-Betrieb. Dort wurde die LPG Anlage inspiziert. Technisch scheint sie ok zu sein, für die Vollabnahme müssen jedoch Änderungen an der Tankbefestigung vorgenommen werden. Eine erste technische Durchsicht in meiner Stammwerkstatt hatte ebenfalls keine bösen technischen Überraschungen zu Tage gefördert, jedoch sind wie üblich einige Stellen am Unterboden, Schwellern und den Achswellentunneln zu machen.

Daher ging der 900er Anfang 2020 auf eigener Achse zu einem Karosseriebauer im Umfeld von Hamburg. Dort stellte sich dann aber heraus, daß für eine fachgerechte Instandsetzung der Motor ausgebaut werden muss. Was als Projekt für den Sommer 2020 vorgesehen war, wurde durch Corona und andere Prioritäten bei mir wie auch andere drängendere Projekte beim Karosseriebauer dann zu einem Projekt für drei Jahre ... in Kurzform: zwei Jahre stand der 900er vor Ort, bevor wir zusammen im Sommer 2022 den Motor (und den Gastank) als Vorbereitung für die Karosseriearbeiten vor Ort ausgebaut haben. Im Januar 2023 wurde der Rote nun endgültig auf die Bühne genommen, und es ging los mit der Instandsetzung.

 

Im Juli war der Vorderwagen soweit fertig gestellt, daß der Motor (mit vielen neuen Dichtungen, neuer Kupplung, neuem Kühler, nUmbau auf 6er Primär, usw.) wieder eingebaut und in Betrieb genommen werden werden konnte. Da der bisherige Karosseriebauer Nr. 1 die Bühne für ein anderes Projekt benötigte, ging der 900er per Trailer zu Karosseriebauer Nr. 2, der sich der restlichen Karosseriearbeiten annahm (inkl. neuer Kotflügel rechts, neue Stoßdämpfer hinten, usw).

 

Stand Ende Oktober 2023 sind die Blecharbeiten abgeschlossen und der 900er wartet auf den hoffentlich letzten Transport per Trailer in meine Stammwerkstatt, um die notwendigen technischen Arbeiten vorzunehmen (Auspuff, Bremsen, Ventilspiel, usw.).

 

Ziel ist eine Wiederzulassung mit Vollabnahme/H-Gutachten im ersten oder zweiten Quartal 2024.